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200 Jahre Karl Marx. Was, wenn er nie da gewesen wäre?

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200 Jahre Karl Marx. Was, wenn er nie da gewesen wäre?

200 Jahre Karl Marx. Was, wenn er nie da gewesen wäre?

Was Historiker nie tun würden: hypothetische Szenarien aufstellen. Für Wissenschaftler gibt es auf solche Spekulationen nur eine Antwort: Hätte-hätte-Fahrradkette. Wir fachfremde Hobbyhistoriker sind da freier und dürfen einfach mal munter fabulieren: Wie sähe die Welt heute aus, wenn es Karl Marx (1818-1883) nie gegeben hätte? Ein teilweise ernst gemeintes Listicle zu seinem 200. Geburtstag am 5. Mai 2018.

1. Die Welt wäre ungerechter

Foto: Wikimedia

Wie auch immer man über Marx heute denkt: Er bewegt immer noch die Gemüter! 200 Jahre nach seinem Geburtstag wird er wieder gelesen, diskutiert, gehasst und geliebt. Eines kann man ihm aber nicht absprechen: Er sprach messerscharf die Folgen des ungezügelten Kapitalismus an. Im 19. Jahrhundert hatten die Arbeiter kaum Rechte und wurden Opfer von Gier und Ausbeutung. Seine Analysen trugen dazu bei, dass der Kapitalismus gezähmt wurde. Damit hat er auch einen Anteil an der sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie heute kennen.

 

2. Es hätte weniger Diktaturen gegeben

Foto: Wikimedia

Natürlich gab und gibt es auf der Welt nicht nur Diktaturen, die sich auf den Kommunismus berufen. Die Hitler-Herrschaft in Deutschland (1933-1945) oder die Regentschaft Augusto Pinochets in Chile (1974-1990) sind Beispiele für rechte Tyranneien. Wahr ist aber auch: Diktaturen brauchen Ideologien und das scheinbar gerechte, geschlossene Weltbild des Kommunismus gab oft die Kulisse für großes Unrecht, von Stalin (Sowjetunion) über Mao (China) bis zu Kim Jong-Un (Nordkorea). Viele Millionen Menschen fielen ihrer Grausamkeit zum Opfer. Daran ist Marx nicht schuld. Aber ohne ihn wäre vielleicht manches so nicht möglich gewesen.

 

3. Es gäbe weniger Hipster-Cafés mit handgeschöpfter Honigschokolade

Foto: Unsplash

Zugegebenermaßen ist es ein weiter Bogen von Marx zu heutigen Hipster-Cafés mit ihrer Vorliebe für handgemachten Waren und individuell hergestellten Produkte. Der gemeinsame Punkt: Marx beklagte die „Entfremdung des Arbeiters von der Arbeit“. Das heißt: Durch Massenproduktion am Fließband und in den wachsenden Großfabriken verloren die Menschen den Bezug zur Arbeit und zu ihren Produkten. Erstrebenswert ist aber eine Verbindung von Produzenten und dem, was sie herstellen. Wie in gutem alten Handwerk eben. Und in Hipster-Cafés.

 

4. Die ehemalige DDR hätte ein paar hundert Karl-Marx-Straßen weniger

Foto: Pixabay

Na klar, er war DER Gründungsvater der kommunistischen Ideologie – auch wenn sich Marx selbst nie als Marxisten sah. Seine Nachfolger beriefen sich umso mehr auf ihn und tauften folgerichtig jede Menge Plätze und Straßen nach ihm. In Ostdeutschland tragen 550 Straßen seinen Namen. Heute ist die Begeisterung darüber natürlich deutlich verhaltener. Forderungen einzelner Politiker, die Straßen umzubenennen, waren bisher nicht erfolgreich. Als historische Gestalt ist Marx eben nicht so schnell totzukriegen.

 

5. Der Glaube an Gott hätte es nicht so schwer gehabt

Foto: Wikimedia

War Karl Marx ein religiöser Mensch? Wohl eher nicht, sonst hätte der gebürtige Jude, der als Kind evangelisch getauft wurde, Religion kaum als „Opium des Volks“ bezeichnet. Er konnte den Glauben an Gott nur als Vertröstung auf das Jenseits sehen, als „Seufzer der bedrängten Kreatur“. Sein Gedanke: Wenn die Welt gerechter wäre, bräuchte es Religion nicht. Er hatte kein Gespür dafür, dass es im Glauben um eine eigene Wirklichkeit geht, die über das Materielle hinausreicht. Damit prägte er den kommunistischen Teil der Welt. Dass Gott größer ist, zeigt sich gerade in China: Trotz jahrzehntelanger Erziehung zum Atheismus werden dort Millionen Menschen Christen. Ganz ohne „Opium“.

 

6. Die Arbeiter hätten nie so ein Selbstbewusstsein bekommen

Foto: Wikimedia

Für Marx waren sie die Helden: Die Arbeiter in den Fabriken und an den Webstühlen. Sie waren es, die Wert schufen und im Schweiße ihres Angesichts für den Wohlstand der Kapitalisten schufteten. Marx erkannte erstmals den Wert der Arbeit und wertete so die Arbeiter auf. Für ihn war „Proletarier“ kein Schimpfwort, sondern eine Auszeichnung. Ziel seines Gesellschaftsentwurfs war die „Diktatur des Proletariats“. Wir wissen zwar, wie das in der Praxis oft aussah, aber: Selbstbewusste Arbeiter und Gewerkschaften sind auch ein Erbe Marx’.

 

7. Wir müssten ohne Sahra Wagenknecht auskommen

Foto: Niels Holger Schmidt / flickr.com

Sahra Wagenknecht, die kluge Kommunistin aus Ost-Berlin, gäbe es auch ohne Marx. Aber können wir sie uns ohne ihn vorstellen? Und wollen wir das? Mit 18 Jahren entdeckte sie die Lehre von Karl Marx für sich und kämpfte sich durch sein Werk. Bis heute sieht sie in ihm eine Galionsfigur, die den Weg weist zur Überwindung des Kapitalismus, hin zu einer gerechteren Gesellschaftsordnung. Wie auch immer man zu ihren Thesen steht: Eine Welt, in der öffentlich-rechtliche Talkshows ohne Sahra Wagenknecht auskommen müssten, wollen wir uns doch nicht vorstellen.

 

8. Es gäbe weniger hässliche Architektur

Foto: Pixabay

Alle Menschen sind gleich (und nur die Parteibonzen sind gleicher). Also lasst sie uns alle in gleichförmige, hässliche, monströse Betonbauten stecken.
(Anmerkung der Fairness halber: die Nachkriegsarchitektur Westdeutschlands hat sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert).

 

9. Wir hätten weniger Aufbruchsgeist in der Gesellschaft

Foto: Wikimedia

Man mag zur Studentenbewegung von 1968 stehen, wie man will: Sie ist ein Symbol für gesellschaftlichen Aufbruch. Für den Gedanken, dass Menschen etwas verändern können, wenn sie sich zusammentun. Dass Reformen möglich sind und die Gesellschaft von allen mitgestaltet werden kann. Dieser Aufbruchsgeist ist von Marx inspiriert – auch wenn man nicht gleich die Revolution ausruft. Ob es um die Beteiligung beim Bahnhofsbau geht oder das soziale Engagement von Christen: Es ist auch ein Erbe von Marx, dass Bürger ihre Stimme erheben und die Gesellschaft aktiv mitgestalten. Ohne ihn wären das wohl weiterhin nur die Sache von wenigen.

 

10. Wir würden das Paradies nicht auf Erden erwarten

Foto: Pixabay

Auch wenn der Kommunismus nicht mehr den besten Ruf genießt: Die Idee lebt weiter, dass sich das Paradies auf Erden verwirklichen lässt. Dann sei es „möglich, „heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe“, so Marx. In dieser Gemeinschaft werde keiner mehr ausgebeutet. Alle seien frei, alle gleich, und alle hätten genug zu essen. Das mag erstrebenswert erscheinen, steht aber der Erfahrung entgegen, dass das Leben auf dieser Welt immer auch Mühsal und Anstrengung bedeutet. Die Bibel verspricht das Paradies (oder den Himmel) tatsächlich erst für das Jenseits. Und sie trägst uns auf, aus dem Leben auf der Erde das Beste zu machen. Manche sehen das als Vertröstung. Andere einfach als Realismus.

 

11. Wir würden weniger an Geld denken

Foto: Wikimedia

Ein Fun Fact über Karl Marx: Der große Ökonom konnte nicht mit Geld umgehen (Spötter würden wohl sagen, dass das auch für seine späteren Anhänger galt). Er verspekulierte viel Geld an der Londoner Börse, und den Rest verprasste er. Schwerwiegender für heute ist seine Theorie, die einseitig materiell orientiert ist. Der Sinn der Existenz macht sich für ihn nur an der Verteilung von Wohlstand fest. Aus dem Blick gerät dabei leicht, dass der Mensch so viel mehr ist: Geist, Seele, Beziehung. Wer aber nur auf die Kohle guckt, beraubt sich um die Tiefe der Existenz. Ob er nun ein kommunistischer Kämpfer oder ein Großkapitalist ist. In den Worten von Jesus: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

 

12. Trier hätte keine 4,40 große Marx-Statue

Foto: Pixabay

Es war eine Mischung aus großer Weltpolitik und Provinzposse: 2017 gab die Volksrepublik –China bekannt, der Geburtsstadt von Karl Marx eine überlebensgroße Statue des großen Sohns zu schenken. Das Geschenk sorgte schon vor der Lieferung für große Diskussionen. Von scharfer Ablehnung des ideologisch aufgeladenen Präsents bis zur begeisterten Bejahung reichten die Reaktionen. Pünktlich zum Marx-Geburtstag am 5. Mai soll die Statue nun tatsächlich in den Trierer Himmel ragen. Ob der Stein-Marx Richtung China schaut, ist nicht bekannt. Die beste Reaktion zeigte wohl Schlagersänger Guildo Horn: Um die Gemüter zu besänftigen, wollte er der Stadt zusätzlich eine Horn-Statue schenken – „aus Bronze, Kautschuk, Mürbeteig oder Marzipan“.

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